Migranten
und Fernsehen in Österreich
Über das Fernsehnutzungsverhalten von Zuwanderern liegen bisher für
Österreich wenige empirische Befunde vor. Um einen ersten detaillierten
Einblick in die alltägliche Mediennutzung zu erhalten, hat GfK Austria
im Herbst 2007 eine MultiClient Migrantenstudie durchgeführt, an
der sich der ORF beteiligt hat.
Folgende Themenbereiche wurden abgefragt:
• Soziodemographische Grunddaten
• Empfangssituation in den Migrantenhaushalten
• Programminteresse
• Radio-, Print- und Internetnutzung
Beschreibung der Stichprobe:
Einbezogen wurden die drei nach Regionen stärksten Zuwandererländer:
Ex-Jugoslawien, Osteuropa-Staaten und die Türkei. Zielpersonen waren
entweder Personen der 1. Generation (selbst noch im Ursprungsland
geboren) oder Personen der 2. Generation (bereits in Österreich
geboren, Eltern im Ursprungsland). Die Erhebung wurde telefonisch durchgeführt
und die Adressziehung erfolgte auf Basis eines onomastischen Auswahlverfahrens
(zufällige Auswahl aus Namenslisten). Zur Vorbereitung wurden in
einer ersten Stufe Adressdatensätze aus dem öffentlichen österreichischen
Telefonbuch erhoben, die landestypische Vornamen enthielten. Von den GfK-Niederlassungen
in den jeweiligen Ursprungsländern der Migranten wurden dazu landestypische
Vornamen in Form von Listen bereitgestellt. Anschließend wurden
diese Namenslisten von zweisprachigen Interviewern der GfK Austria überprüft.
Insgesamt wurde eine Stichprobe von 27.345 Adressen gezogen. Zum Erreichen
der Interviewanzahl (n =2.000) mussten 11.310 Kontakte hergestellt werden,
die Response-Rate lag damit bei 18%. Innerhalb der verschiedenen Ethnien
war diese sehr unterschiedlich, so betrug sie bei Respondenten aus dem
ehemaligen Jugoslawien 15% und bei den osteuropäischen und türkischen
Migranten jeweils 23%. Die Interviews wurden in 87% der Fälle in
der jeweiligen Muttersprache durchgeführt, bei 13% wurde das Interview
in Deutsch geführt. Insgesamt wurden n=2.000 Personen im Alter ab
15 Jahren befragt.
Migrantenbiographien:
Nach Angaben der STATISTIK AUSTRIA (Quelle: Mikrozensus-Arbeitskräfteerhebung,
1. Quartal 2008) leben in Österreich 1,4 Mio. Personen (also
17 % der Bevölkerung) mit Migrationshintergrund. Die Untersuchung
der GfK Austria bezog knapp zwei Drittel davon in die Stichprobe ein,
nämlich Migranten aus der Türkei (23%), Ex-Jugoslawien (61%)
und aus den Osteuropa-Ländern (16%). Jenes Drittel der Migranten,
das nicht befragt wurde, setzt sich aus Personen aus über 200 verschiedenen
Nationen zusammen. Aus Kosten- und Effizienzgründen (Native Speaker
als Interviewer, Fragebogenübersetzung und –programmierung,
Zeitaufwand) wurde diese Gruppe nicht in die Stichprobe einbezogen.
Wie die Befragung ergab, fand für die Mehrheit der in Österreich
lebenden Migranten die primäre Sozialisation im Herkunftsland statt
(89%). Nur rund ein Zehntel der aus Ex-Jugoslawien stammenden und bereits
knapp ein Fünftel der türkischen Zuwanderer ab 15 Jahren ist
in Österreich geboren, unter den Migranten aus Osteuropa sind es
erst 4%. Dementsprechend lange ist auch die Aufenthaltsdauer in Österreich:
So leben acht von 10 Türken bzw. Ex-Jugoslawen bereits zehn Jahre
oder länger hier. Trotz der langen Aufenthaltsdauer verfügen
nur 37% der Ex-Jugoslawen über eine österreichische Staatsbürgerschaft.
Im Gegensatz dazu sind sechs von zehn Türken österreichische
Staatsbürger. Auch bei den osteuropäischen Migranten haben bereits
57% die österreichische Staatsbürgerschaft, obwohl diese Migrantengruppe
im Schnitt erst relativ kurz in Österreich lebt.
Die Familien sind innerhalb der türkischen Gruppe am größten:
41% leben in Familien mit fünf oder mehr Mitgliedern und weitere
42% in Familien mit drei bis vier Mitgliedern, die durchschnittliche Haushaltsgröße
beträgt 3,7. Drei- oder vierköpfige Familien sind unter den
Ex-Jugoslawen am häufigsten anzutreffen (52%), im Durchschnitt leben
3,2 Personen in einer Familie. Mit einer durchschnittlichen Haushaltsgröße
von 2,9 leben Personen aus den Osteuropa-Ländern dagegen tendenziell
häufiger in Single Haushalten (11%) und in Zwei-Personen-Haushalten
(30%).
Innerhalb der Migrantengruppe leben türkische Mitbürger tendenziell
häufiger in Haushalten mit niedrigem Haushaltsnettoeinkommen. Ein
Drittel der Befragten mit türkischem Migrationshintergrund lebt in
Haushalten mit einem Haushaltsnettoeinkommen von bis zu 1.500 Euro. In
den beiden anderen Gruppen gibt nur jeder Fünfte ein Haushaltsnettoeinkommen
von bis zu 1.500 Euro an.
Rund ein Drittel der befragten Türken lebt in Wien (34%), in der
Gruppe der Ex-Jugoslawen sind es 39%, bei Migranten aus Osteuropa 52%.
Auf Wien folgen als Aufenthaltsregionen vor allem Niederösterreich
und Oberösterreich, wo rund ein Viertel jeder Migrantengruppe lebt.
Von den befragten Türken lebt rund ein Fünftel in Vorarlberg
oder Tirol, unter Ex-Jugoslawen und Migranten aus Osteuropa je ein Zehntel
in der Steiermark.
Je nach Herkunft differiert die Höhe der abgeschlossenen Ausbildung.
Die am besten ausgebildeten Migranten sind Osteuropäer, die zu 77%
über Matura oder einen Hochschulabschluss verfügen. Bei Ex-Jugoslawen
sind es 48%. Unter den türkischen Migranten haben 29% eine Matura
oder einen Hochschulabschluss.
Das Durchschnittsalter aller drei Migrantengruppen ist im Vergleich zur
österreichischen Bevölkerung ab 15 Jahren (46 Jahre) relativ
niedrig: mit einem Altersschnitt von 34 Jahren sind türkische Migranten
am jüngsten, gefolgt von Migranten aus Ex-Jugoslawien (im Schnitt
38 Jahre) und Migranten aus Osteuropa (im Schnitt 41 Jahre).
In der Studie wurde auch nach der Religionszugehörigkeit gefragt.
Der Anteil an Migranten, die sich zu einer Religionsgemeinschaft bekennen,
ist im Vergleich zur österreichischen Bevölkerung (in der jeder
Fünfte „ohne Bekenntnis“ ist) sehr hoch: so geben 98%
der befragten Türken an, dem Islam anzugehören. Auch bei den
Befragten aus Ex-Jugoslawien bekennt sich der Großteil zu einer
Religionsgemeinschaft: 43% geben an, dem orthodoxen Glauben anzugehören,
25% dem römisch-katholischen, 22% dem islamischen Glauben und nur
7% sind ohne Bekenntnis. Der Anteil der Personengruppe ohne religiöses
Bekenntnis ist unter den aus den Osteuropa-Ländern stammenden Befragten
(16%) am höchsten, wobei in dieser Zuwanderergruppe die orthodoxe
(34%) und die römisch-katholische Glaubensrichtung (35%) etwa gleich
häufig genannt werden und weitere 12% einer anderen Religionsgemeinschaft
angehören.
Migrantengruppe Türkei
Empfangsebene:
Rund zwei Drittel (65%) der in Österreich lebenden Türken
sehen ihre Fernsehprogramme via digitalen Satellit. Über Kabel empfängt
rund ein Fünftel und terrestrisch ein Zehntel der befragten türkischen
Mitbürger. Die starke Ausrichtung auf den digitalen Satellitenempfang
ist bedingt durch das bestehende Interesse am Empfang türkischer
Sender, die nur über diesen Weg in entsprechender Vielfalt möglich
ist.
TV-Nutzung und Programminteressen:
Fernsehen nimmt bei der türkischen Gruppe einen sehr hohen Stellenwert
ein. 77% der Türken sehen täglich fern und sind damit im Vergleich
zu anderen Migrantengruppen in Österreich Spitzenreiter. Die Verweildauer
vorm Fernseher beträgt in 58% der Fälle mehr als zwei Stunden
pro Tag.
Um das Interesse an verschiedenen Sendungsarten zu erheben, wurden die
Migranten zu 17 Programmbereichen befragt. Das größte Interesse
haben türkische Migranten demnach an Nachrichten - 91% geben an,
sehr oder eher an Nachrichtensendungen interessiert zu sein (Abfrage anhand
einer vierstufige Skala von „sehr interessiert“ bis „gar
nicht interessiert“). An Sendungen aus dem Heimatland sind 88%,
an Wissenssendungen 83% sehr bzw. eher interessiert. Es folgen Sendungen
zum Thema Religion (74%) bzw. Politik/Wirtschaft/Zeitgeschehen (72%),
Berichte aus den österreichischen Bundesländern (67%), Spiel-
und Fernsehfilme (63%) und TV-Serien (63%). Das geringste Interesse besteht
für Reality-Shows (30%). Im Vergleich zu den beiden anderen Befragtengruppen
sind Türken überproportional stark an Religionssendungen und
an Sendungen aus dem Heimatland interessiert.
Sonstige Mediennutzung:
Wie auch beim Fernsehen ist der Zuspruch der türkischen Migranten
zu österreichischen Radiosendern gering ausgeprägt und hat mit
drei von zehn täglichen Hörern die niedrigste Hörerquote
im Vergleich zu Ex-Jugoslawen (44%) und Osteuropäern (53%). Das Internet
nutzen täglich 43% der in Österreich lebenden Türken, mit
einer gelegentlichen Nutzung von rund 60% entspricht dies annähernd
der Nutzungsfrequenz innerhalb der österreichischen Bevölkerung
(66%). Internet ist das am zweithäufigsten genutzte Medium nach dem
Fernsehen. Die regelmäßig von den Türken gelesenen Tageszeitungen
sind die Kronen Zeitung (34%) als deutschsprachige und Hürriyet (34%)
als türkische Tageszeitung.
Migrantengruppe Ex-Jugoslawien
Empfangsebene:
Knapp die Hälfte der zugewanderten Ex-Jugoslawen (46%) empfängt
seine Fernsehprogramme über Satellit und dies überwiegend digital.
Fernsehen über Kabel empfängt etwas mehr als ein Drittel (37%)
der Mitbürger aus Ex-Jugoslawien. 7% empfangen terrestrisch.
TV-Nutzung und Programminteressen:
Rund zwei Drittel der Ex-Jugoslawen (65%) sehen täglich fern. Damit
nehmen sie den zweiten Platz innerhalb der drei großen Migrantengruppen
ein. Pro Tag sitzt jeder Zweite zwei Stunden oder mehr vor dem TV-Gerät.
Auf das größte Interesse stoßen bei den Migranten aus
Ex-Jugoslawien Nachrichten sowie Spiel- und Fernsehfilme - je 85 % geben
an, daran sehr oder eher interessiert zu sein. Ebenfalls großes
Interesse besteht an Musik-Sendungen (77%), Comedyshows/Sitcoms (75%)
und Sendungen aus dem Heimatland bzw. Berichten aus den österreichischen
Bundesländern (jeweils 71%). Dahinter folgen Unterhaltungsshows/Ratesendungen
(67%) bzw. Natur- und Tiersendungen (66%). Das geringste Interesse besteht
an Reality-Shows (28%) und Religionssendungen (30%).
Sonstige Mediennutzung:
Österreichische Radios werden von 44% der Ex-Jugoslawen täglich
gehört. Die Nutzung liegt somit über jener der türkischen
Mitbürger (29%), aber unter jener der Osteuropäer (53%). Das
Internet wird von 44 % täglich genutzt. Die gelegentliche Nutzung
weist einen Wert von 62% auf und entspricht somit annähernd der Nutzungsfrequenz
(66%) der österreichischen Bevölkerung. Regelmäßig
werden von den Ex-Jugoslawen die Kronen Zeitung (48%) als österreichische
Tageszeitung und Vesti (17%) als ex-jugoslawische Zeitung gelesen.
Migrantengruppe Osteuropa
Empfangsebene:
Mehr als die Hälfte der in Österreich lebenden Osteuropäer
(56%) empfängt seine Fernsehprogramme über Satellit und dies
überwiegend digital. Ein Viertel (27%) empfängt Fernsehen über
Kabel und 6 % terrestrisch.
TV-Nutzung und Programminteressen:
Die Osteuropäer sind die „Fernsehmuffel“ unter den befragten
Migrantengruppen. Nicht einmal sechs von zehn Befragten (58%) geben an,
täglich vor dem Fernseher zu sitzen. Auch was die durchschnittliche
Sehdauer pro Tag betrifft sind die Osteuropäer das Schlusslicht.
Lediglich 45% sehen zwei Stunden oder mehr pro Tag fern. Ein Fünftel
(20%) sieht sogar weniger als eine Stunde pro Tag fern.
Wie bei den anderen befragten Migrantengruppen liegt auch bei den Osteuropäern
der Interessensschwerpunkt bei den Informationssendungen: Neun von zehn
(93%) bekunden ihr Interesse an Nachrichten (sehr oder eher interessiert).
Abweichend von allen anderen Gruppen nimmt bei den Osteuropäern der
Programmbereich Natur/Tiere mit 83% einen höheren Stellenwert ein.
Ebenfalls hohes Interesse besteht an Wissenssendungen (79%), Spiel- und
Fernsehfilmen (73%), Politik/Wirtschaft/ Zeitgeschehen (70%), Musik (70%)
sowie Berichten aus den österreichischen Bundesländern (69%).
Das Interesse an Sendungen aus dem eigenen Herkunftsland (62%) ist bei
osteuropäischen Migranten am geringsten ausgeprägt. Den geringsten
Zuspruch finden Reality-Shows (24%).
Sonstige Mediennutzung:
Österreichische Radios werden von 53% der osteuropäischen Migranten
täglich gehört. Dies ist die höchste Nutzung unter allen
drei befragten Migrantengruppen. Die gelegentliche Internetnutzung weist
einen Wert von 77% auf und ist somit deutlich höher als die Nutzungsfrequenz
(66%) unter der österreichischen Bevölkerung. Regelmäßig
wird von den osteuropäischen Befragten die Kronen Zeitung (40%) gelesen.
Zeitungen aus den Ursprungsländern kommen auf keine nennenswerten
Reichweiten und erreichen in ihrer Gesamtheit lediglich 10%.
Ausgewählte Ergebnisse der Studie als PDF
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