Studien | ORF-PUBLIKUMSRATSSTUDIE 2004

Frauen- und Männerbilder in den ORF-Unterhaltungsserien

Erfolgreiche Kommissarinnen wie Katrin Kofler in SOKO Kitzbühel, schräge Mütter wie Lois in Malcolm mittendrin und selbstbewusste Mädchen wie Rory in Gilmore Girls- dass weibliche Serienfiguren einen Rollenwandel durchgemacht haben, ist nicht zu übersehen. Frauen sind präsenter, nehmen häufiger Hauptrollen ein, agieren eigenständig und schlagfertig. Trotz aller Emanzipation verläuft die Interaktion zwischen weiblichen und männlichen Serienfiguren aber doch oft noch konventionell - Männer bestimmen, Frauen ordnen sich unter. Zu diesem Ergebnis kommt eine vom ORF-Publikumsrat initiierte umfassende Studie zu den Geschlechterrollen in den aktuellen ORF-Unterhaltungsserien.

Die Aufgabenstellung des Publikumsrats war die "Wahrnehmung männlicher und weiblicher Rollenbilder in den im ORF aktuell ausgestrahlten Unterhaltungsserien und deren Identifikationspotentiale aus Sicht der ZuschauerInnen" zu untersuchen. Aufgrund der Komplexität des Themas entwickelte die ORF-Markt- und Medienforschung ein mehrstufiges Erhebungsverfahren aus qualitativen und quantitativen Methoden, bestehend aus

  • einer Literaturrecherche zum Thema und einer Inhaltsanalyse von jeweils einer Folge der 42 Unterhaltungsserien, die im März 2004 im ORF zumindest wöchentlich ausgestrahlt wurden. Beides wurde durchgeführt vom Fachbereich Kommunikationswissenschaft der Universität Salzburg unter der Leitung von Prof. Dr. Elisabeth Klaus.
  • vier Gruppendiskussionen mit regelmäßigen SeherInnen der ORF-Unterhaltungsserien, durchgeführt im August 2004 vom Institut Klare Antworten (Barbara Troger), München.
  • 1000 telefonischen Interviews, repräsentativ für das österreichische TV-Publikum ab 14 Jahren, durchgeführt im November 2004 vom Institut Integral, Wien.


Konventionelle Soaps, progressive SitComs


Aus Sicht des Publikums haben sich die Geschlechterbilder in den vergangenen Jahren gewandelt: Für rund drei Viertel der FernsehzuschauerInnen fällt die Darstellung der Serienfiguren im ORF im Vergleich zu früher fortschrittlicher aus. Die Ergebnisse der Inhaltsanalyse bestätigen diese Veränderung vor allem für die strukturellen Rahmenbedingungen, innerhalb derer die Serienfiguren handeln: Frauen sind überwiegend berufstätig und finanziell unabhängig, Männer agieren nicht nur im beruflichen, sondern verstärkt auch im privaten Umfeld. Vereinzelt finden sich zwar noch Serien mit sehr konventionellen Geschlechterbildern (z.B. Der Fürst und das Mädchen), häufiger werden nun aber parallel zu den traditionellen Charakteren alternative Geschlechterbilder als Identifikationsmöglichkeit geboten. Dies gilt vor allem für SitComs und Jugendserien. Das individuelle Verhalten der Serienfiguren - besonders in Familienserien und Daily Soaps - entspricht hingegen nach wie vor eher noch den traditionellen Geschlechterrollen: Männer treffen Entscheidungen und treiben die Handlung voran, Frauen ordnen sich in Interaktionen oft unter. Diese Diskrepanz nehmen auch die ZuseherInnen wahr: Zwei Drittel der Befragten meinen, dass Frauen in Unterhaltungsserien zwar oft als berufstätig gezeigt werden, die Männer aber insgesamt doch dominieren.


Starke Frauen und Männer mit kleinen Schwächen


Im Unterschied zu den Männerfiguren würden Frauen nach Ansicht der Befragten häufiger als emotional, rücksichtsvoll und besonders gut aussehend dargestellt - was von rund einem Viertel der TV-ZuschauerInnen auch als passend eingestuft wird. Geschätzt werden von den aktuellen weiblichen Serienfiguren besonders solche, die die Balance halten zwischen früher primär den Männern vorbehaltenen Eigenschaften wie Selbstbewusstsein, Schlagfertigkeit und Durchsetzungsvermögen und klassischen weiblichen Attributen wie soziale Kompetenz, Mitgefühl und Attraktivität. Beispiele hierfür sind Phoebe aus Friends oder Captain Janeway aus Raumschiff Voyager. Damit ist der Korridor erlaubten Verhaltens für Frauen aber deutlich enger gesteckt als für Männer - Frauenfiguren müssen nun taff sein, gesunden Egoismus und interessante, kleine Schwächen besitzen, dabei aber keinesfalls mit Weiblichkeit assoziierte Eigenschaften - soziale Kompetenz, Charme, physische Attraktivität - verlieren. Sie müssen im allfälligen Geschlechterkampf ihren Mann stehen und gleichzeitig gute Freundinnen bzw. gute Mütter sein.

Bei den männlichen Serienfiguren hingegen ist die Bandbreite der akzeptierten Helden größer - Chauvinisten, kleine Ekel, Bösewichter wie orientierungslose Softies werden mit wohlwollender Nachsicht betrachtet. Moralisch einwandfreie Superhelden, die jeder Situation gewachsen und unbesiegbar sind, sind zwar nicht mehr hoch im Kurs, besonders für junge männliche Zuseher aber noch von einer gewissen nostalgischen Attraktivität.


Familie und Medien prägend für Rollenbilder der Kinder und Jugendlichen

Dass Serienfiguren Rollenvorbilder für Männer und Frauen sein könnten, negieren die meisten Befragten für sich selbst. Im Hinblick auf die besondere Zielgruppe der Kinder und Jugendlichen weist die Mehrheit den Serienfiguren aber doch eine Vorbildfunktion zu: 69 % des TV-Publikums meinen, dass die Frauen- und Männerbilder in den ORF-Unterhaltungsserien die jungen ZuschauerInnen beeinflussen. Die wichtigste Rolle komme jedoch den Eltern und der Familie zu - 42 % der Befragten glauben, dass sie das Frauen- und Männerbild der Jugendlichen am stärksten prägen. Erst an zweiter Stelle folgen Medien (24 %). Für 18 % beeinflussen FreundInnen und Bekannte das Rollenbild von Kindern und Jugendlichen am stärksten.


Detailergebnisse der Repräsentativerhebung als PDF

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