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Studientag des ORF-Publikumsrats
Am Dienstag, dem 3. Juni 2003, befasste sich der Publikumsrat in einem
Studientag mit dem Thema "Sprache im ORF", zu dem der Vorsitzende
Hon.Prof. Dr. Georg Weißmann prominente Referenten geladen hatte.
Der Studientag geht auf eine Anregung von Landessuperintendent Mag. Peter
Karner zurück und wurde von Mag. Andreas Kratschmar, Vorsitzender
des Programmausschusses des ORF-Publikumsrats, moderiert.
Fessel-GfK-Studie: Zeit im Bild-Sendungen für Mehrheit des
Publikums gut verständlich
Im Rahmen der Veranstaltung wurde eine neue Studie von Fessel-GfK vorgestellt,
die den Zeit im Bild-Sendungen ein hohes Ausmaß an Verständlichkeit
bescheinigt. Prof. Dr. Rudolf Bretschneider, Geschäftsführer
Fessel-GfK: "Für die überwiegende Mehrheit der Zuseher,
89 Prozent, sind die ZiB-Nachrichten gut verständlich. Nur
elf Prozent haben Verständnisprobleme, das Verstehen der Nachrichten
hängt u. a. von Alter und Bildungsniveau ab. Sowohl im Hinblick auf
das Verstehen als auch hinsichtlich der Verständlichkeit sind die
ZiB-Sendungen positiv zu werten."
Die neue Fessel-Studie ist Teil des "ORF-Qualitätsmonitorings",
in dessen Rahmen seit 1997 die Hauptnachrichten des ORF-Fernsehens auf
Erfüllung ihres öffentlich-rechtlichen Programmauftrags analysiert
werden. Im vergangenen Jahr wurde zusätzlich auch die Verständlichkeit
der Sprache der Hauptabendnachrichten untersucht.
Die weiteren Ergebnisse der Studie: Bei den Zeit im Bild-Sendungen
treten kaum Verständnisprobleme auf. Die vorhandene Komplexität
und Schwierigkeit der Texte wird durch die sprachliche Klarheit der ORF-Sprecher
und -Moderatoren kompensiert. Interessante Meldungen, gute Ausdrucksweise
sowie eine gute Bildunterstützung werden als positive Faktoren genannt,
die das Verstehen erleichtern. Hinzu kommt das Themeninteresse, welches
sowohl das Verstehen als auch die Erinnerungsleistung fördert.
Die Ergebnisse im Detail siehe: Fessel-GfK-Studie
Sprache im ORF: ORF-Leitmedium und Begleitmedium
Neben der Fessel-GfK-Studie standen Referate und Diskussionen auf dem
Programm des Studientags. Teilnehmer der Veranstaltung waren u. a. Superintendent
HR Mag. Peter Karner, der Medientheoretiker Univ.-Doz. Dr. Frank Hartmann,
Prof. Dr. Rudolf Bretschneider, Fessel-GfK, der Sprachwissenschafter Univ.-Prof.
Dr. Richard Schrodt, zahlreiche Vertreter von Publikumsrat und Stiftungsrat,
Informationsdirektor Gerhard Draxler sowie ORF-Mitarbeiter, die vom täglichen
Umgang mit dem Medium Sprache berichteten.
Eines der Ergebnisse des Studientags: Als Kommunikationsunternehmen ist
sich der ORF seiner Verantwortung für den Umgang mit Sprache bewusst,
er versteht sich als Leitmedium und Begleitmedium. ORF und Publikumsrat
wollen sich gemeinsam um eine Sprachkultur bemühen, die allen Hörern
und Sehern verpflichtet ist und die gesellschaftliche und kulturelle Vielfalt
wiedergibt.
Gerhard Draxler: Sprache als Ausdruck der Gesellschaft
Informationsdirektor Gerhard Draxler legte in seiner Einführung die
Position des ORF angesichts eines immer rascheren Sprachwandels dar: "Sprache
gehört zum Kerngeschäft des ORF, dem dabei zwei Rollen zukommen.
Der ORF bildet Sprache ab und 'produziert' täglich selbst Sprache.
Seiner Verantwortung ist sich der ORF durchaus bewusst. Sprache ist kein
starres Gebilde, sondern Ausdruck einer gesellschaftlichen Gegenwart,
die sich im ORF-Programm wieder finden muss. Genau dafür wird der
ORF auch kritisiert - vor allem dann, wenn es um so genannte Anglizismen
und Modewörter geht, wie sie die (junge) 'Internet-Generation' heute
verwendet. Viele dieser neu entstandenen Wörter haben ihren festen
Platz in der Alltagssprache und finden sich in den wichtigsten Lexika
wieder."
Frank Hartmann: Gegen die Klage über den
Verlust von Sprachkultur
Mit der medialen Sprachkultur unter dem Druck der Globalisierung
befasste sich Univ.-Doz. Dr. Frank Hartmann. Er teilt nicht die weit verbreitete
Sorge über einen allgemeinen Sprachverfall. Hartmann: "In und
mit der Sprache passiert ständig etwas, gegen das sie geschützt
werden soll. Als unhinterfragte Voraussetzung gilt dabei meist, dass es
früher irgendwie besser war. Sprachzerfall oder die Klage über
den Verlust von Sprachkultur beruhen auf der Prämisse, dass es entweder
eine Idealsprache oder eine Universalsprache geben kann. Medien führen
vor, dass die Sprache sich nicht festlegen lässt. Die Menschen haben
in den Jahrhunderten nach der langsamen Verbreitung und Durchsetzung des
Drucks nicht aufgehört zu sprechen. Warum sollten sie dies gerade
angesichts der Neuen Medien tun? Die strengen Hüter der Sprachkultur
verwechseln Literalität mit Kommunikation - hier drückt sich
die heimliche Furcht aus vor der Lebendigkeit einer Kultur, deren kommunikative
Basis nicht exklusiv über die Bildungsinstitutionen einer Gutenberg'schen
Lese- und Schreibkultur vermittelt ist."
Vortrag
- Frank Hartmann: World Wide Words und Heimatklang - Anmerkungen zur
medialen Sprachkultur im Druck der Globalisierung als PDF-File
Richard Schrodt: Kein Stillstand in einer lebendigen
Sprache
Dass es keinen Stillstand in einer lebendigen Sprache geben könne,
zeigte Univ.-Prof. Richard Schrodt anhand zahlreicher Fallbeispiele. Seine
These: Funktionierende Kommunikation setzt eine stetige Anpassung des
Kommunikationsmediums an die Kommunikationserfordernisse voraus. Besonders
deutlich zeigt sich das am Zusammenhang von Kultur- und Sprachwandel:
Durch die Amerikanisierungswellen seit dem Zweiten Weltkrieg hat sich
die deutsche Sprache in wesentlichen Bereichen verändert. Neue Formen
von sprachlichen Ausdrucksmöglichkeiten, zunächst beschränkt
auf bestimmte Verwendungsbereiche, haben die Alltagssprache erobert. Das
Vokabular der Erlebnisgesellschaft hat sich in vielen Texten durchgesetzt,
obwohl das oft Anstoß erregt und ebenso oft abgelehnt wird.
Vortrag
- Richard Schrodt: Sprache im Wandel - Verständigung und Verständlichkeit
als Problem und als Chance als PDF-File
Peter Karner: Die eigenen Wörter von Unsauberkeiten
waschen
Auf sehr pointierte Weise predigte Mag. Peter Karner, Theologe und Autor
zahlreicher Bücher, gegen Sprachverfall, Anglizismen und Schwund
der österreichischen Sprache. Unter anderem empfahl Karner, die eigenen
Wörter "von "Zeit zu Zeit zu waschen" und Sprache
mit den Sinnen wahrzunehmen. Als evangelischer Seelsorger gab Karner dem
Auditorium schließlich den Rat, Martin Luther zu folgen und dem
"Volk aufs Maul zu schauen".
Wolfgang Lorenz: ORF als Ausdruck vielfältiger
Sprachkultur
In den europäischen Zusammenhang stellte Wolfgang Lorenz, Leiter
der ORF-Hauptabteilung Planung und Koordination, das Thema "Sprache
im ORF: "Wir leben in einem vereinten Europa und in einer vereinten
Medienwelt. Aus seiner sprachlichen Vielfalt sollte das vereinte Europa
auch eine kulturelle Vielfalt ableiten, Respekt vor Minderheiten, keine
Angst vor dem Fremden, vor fremden Sprachen und Fremdwörtern haben."
Sprachliche Vielfalt sieht Lorenz auch im ORF: "Wir haben die Sprache
der Information, die Sprache der Wirtschaft, des Sports, der Kultur, der
Unterhaltung, die Sprache Ödön von Horváths und Werner
Schwabs, die Sprache der Jugendkultur, eine Radio- und eine Fernsehsprache.
Damit ist der ORF nicht elektronischer Vormund für normierte Sprache,
sondern Ausdruck und Spiegel einer vielfältigen Sprachkultur."
Schwerpunkt Sprache bei der Weiterbildung der
ORF-Mitarbeiter
Das Thema Sprache ist ein wesentlicher Schwerpunkt in der innerbetrieblichen
Aus- und Weiterbildung der ORF-Mitarbeiterinnen und -Mitarbeiter. Das
Human Resources Management (GHR) des ORF veranstaltet im Jahr rund 1.000
Seminare, mehr als ein Drittel davon wird für redaktionelle Weiterbildung
aufgewendet. Neben Seminaren und Fachcoachings zu den Themen Moderation,
Nachrichtenpräsentation u. v. m., die auch sprachliche Themata behandeln,
wurden im vergangenen Jahr insgesamt 35 Seminartage zu ausschließlich
sprachlichen Themen veranstaltet. Ein besonderer Schwerpunkt war dabei
im Jahr 2002 die Aus- und Weiterbildung speziell im Bereich Hörfunknachrichten.
Die sprechtechnische Leistung der ORF-Mitarbeiterinnen und -Mitarbeiter
wird mit 342 Seminartagen pro Jahr unterstützt.
Ein wichtiger Punkt ist die Pflege des österreichischen Idioms. In
einer vierteljährlich erscheinenden ORF-internen Publikation für
alle ORF-Mitarbeiter beschäftigt sich Eva Wächter-Kollpacher,
Chefsprecherin des ORF, in einer eigenen Kolumne speziell mit österreichischem
Deutsch. |
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